Affäre um Nazi-Gesetz für AfD-Politiker Ulbrich noch nicht zu Ende

Sein Verweis auf ein rassistisches Nazi-Gesetz als Vize-Präsident des AfD-Bundesschiedsgerichts könnte für Rechtsanwalt Roland Ulbrich neben einem Partei-Ausschluss auch noch strafrechtliche und berufliche Konsequenzen haben. In Leipzig liegt eine Anzeige vor. Und möglicherweise muss sich auch der Generalstaatsanwalt in Sachsen noch mit der Sache beschäftigen.

Ein Beschluss des AfD-Bundesschiedsgerichts unter Rückgriff auf einen Paragrafen des „Reichsbürgergesetzes“ von 1935 könnte für den Leipziger Rechtsanwalt Roland Ulbrich noch weitere Konsequenzen haben.

Als Vize-Präsident des Gremiums trat er nach dem Bekanntwerden des Vorgangs zurück. Einem Rauswurf aus der sächsischen AfD-Landtagsfraktion kam er durch Austritt zuvor. Zudem will ihn der sächsische Landesverband in Abstimmung mit dem AfD-Bundesverband aus der Partei ausschließen.

Daneben liegt laut Bericht der „Leipziger Volkszeitung“ vom 2. Februar Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen Ulbrich vor. Ob diese zu einem Verfahren führen wird, war bis Ende dieser Woche aber noch offen. Dem Landtagspräsidenten lag bisher keine Information von der Staatsanwaltschaft in Leipzig über geplante oder laufende Ermittlungen vor, wie die Pressestelle des Landtags in Dresden auf Nachfrage von MDR AKTUELL mitteilte.

Vor Ermittlungen gegen Abgeordnete muss die Staatsanwaltschaft den Landtagspräsidenten informieren, der dann 48 Stunden Zeit hätte für einen Widerspruch. Erst jedoch wenn es zu einer Anklage käme, müsste dann der Landtag entscheiden, ob er die Immunität eines Abgeordneten aufhebt.

Kammer wird sich den Fall wohl ansehen

Allerdings wirft der Verweis auf das 1945 außer Kraft gesetzte Gesetz, mit dem die Nationalsozialisten 1935 den Juden die Bürgerrechte entzogen, auch Zweifel an seiner Eignung als Anwalt auf. Schließlich ist der aus Düsseldorf stammende Ulbrich auch Strafverteidiger in Leipzig.

Auf Anfrage von MDR AKTUELL teilte die Rechtsanwaltskammer in Sachsen mit, ihr sei die Sache bekannt. Allgemein hieß es, die Kammer prüfe „stets, ob aufgrund bekannter Umstände ein Einschreiten gegenüber ihren Mitgliedern unter dem Gesichtspunkt des Berufsrechts geboten ist“.

Allerdings könne wegen einer geltenden Verschwiegenheitspflicht die Kammer zu konkreten Fällen keine weiteren Informationen geben. Eine Positionierung vorab sei ihr darum nicht möglich.

Grundsätzlich könne bei schuldhaften Verstößen gegen Berufspflichten eine Rüge erteilt oder aber der Vorgang an die Generalstaatsanwaltschaft zur Einleitung von berufsrechtlichen Ermittlungen abgegeben werden. So könnte also die Causa Ulbrich unter Umständen auch noch auf dem Schreibtisch des sächsischen Generalstaatsanwalts Martin Uebele landen.

Dargelegt sind die Berufspflichten von Rechtsanwältinnen und Anwälten in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) wie auch in der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA). Da heißt es unter anderem, dass Anwälte sich als „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ dessen würdig zu erweisen haben und dass ihre Tätigkeit „der Verwirklichung des Rechtsstaats“ diene.

Was Ulbrich vorgeworfen wird

Im Fall von Ulbrich geht es nun um die Heranziehung des rassistischen „Reichsbürgergesetzes“ von 1935 zur Begründung eines Beschlusses in einem internen AfD-Parteiordnungsverfahren.
Mit dem Beschluss des AfD-Bundesschiedsgerichts, dessen Vizepräsident Ulbrich war, wurden Mitte Januar einer Frau aus Wuppertal die ihr vom AfD-Schiedsgericht in Nordrhein-Westfalen zuvor entzogenen Mitgliedsrechte zurückgegeben. Sie soll im Internet eine Tafel mit dem Titel „Shoot Refugees“ mit „Stop Refugees“ überschrieben und hochgeladen haben, wobei der erste Titel allerdings weiter lesbar blieb. Zudem wurde ihr vorgeworfen, sich „trotz ihrer polnischen Abstammung“ als „arisch“ bezeichnet zu haben.

Das AfD-Bundesgericht verwarf dann die Entscheidung aus NRW, unter anderem mit dem Verweis darauf, dass Polnisch „als slawische Sprache den arischen Sprachen zuzuordnen“ sei. Auch habe sich nicht erschlossen, „wieso der Begriff ‚arisch‘ der nationalsozialistischen Rassenideologie zuzuordnen ist“.

Als Beleg wurde dann aber noch angeführt: „Insofern sei nur auf das Reichsbürgergesetz vom 15.09.1935 hingewiesen, in dem in § 2 I geregelt ist, dass Reichsbürger nur der Staatsbürger sei, der deutschen oder artverwandten Blutes sei.“ Mit einem zweiten Beschluss widerrief dann das AfD-Bundesschiedsgericht Ende Januar diesen Teil des Beschlusses, nicht jedoch die Wiederherstellung der Mitgliedsrechte der Frau.

Ulbrich war schon häufiger aufgefallen

Unterzeichnet hatten den ersten Beschluss neben Ulbrich auch die AfD-Bundesschiedsrichter Richard Albrecht und Christian Wirth. Am 30. Januar allerdings teilte das Gremium mit, dass Ulbrich die Verantwortung für „den Inhalt eines Eilbeschlusses“ übernehme, „aus dem sich der Eindruck ergeben könnte, er mache sich (…) eine Begrifflichkeit und einen Rechtssatz des Nationalsozialismus zu Eigen“, auch wenn ihm das fern gelegen habe.

Dabei fiel Ulbrich nicht zum ersten Mal derart auf. So schrieb er 2019 zum Anschlag auf die Synagoge in Halle auf Facebook: „Was ist schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“ Er bezeichnete den Anschlag als reine „Sachbeschädigung“, bei dem es „nicht einmal den Versuch eines Tötungsdelikts“ gegeben habe. Später kritisierte er „systemkonforme Tendenzen“ in der AfD und Parteiordnungsverfahren gegen rechtsextreme Mitglieder, wie ihm nun allerdings selbst eines droht.

Dass der Rechtsanwalt es mit heutigen Gesetzen vielleicht nicht so genau nehmen könnte, legt auch ein Detail aus dem MDR-Kandidatencheck vor der Sachsen-Wahl 2019 nahe, wo er andeutete, sich womöglich des Missbrauchs von Notrufen bedient zu haben. So sagte er zum Thema innere Sicherheit im ländlichen Raum gegen Ende dieses Videos:

„Dort haben wir also mal Tests gemacht, wie ewig das dauert, bis Polizei, aber auch Feuerwehr erscheinen.“

Es erscheint zwar wenig glaubhaft, dass es solche Tests wirklich gab. Doch allein diese Behauptung vor laufender Kamera erscheint für einen Fachanwalt für Strafrecht problematisch. Tatsächlich wäre ein Verstoß gegen § 145 StGB strafbar, die mutmaßliche Tat inzwischen allerdings verjährt.

Vorläufig aber bleibt Ulbrich nach aktuellem Stand nicht nur Mitglied des Landtags. Er ist auch Stadtrat in Leipzig, hier Mitglied im Migrantenbeirat und auch Aufsichtsrat der Stadtwerke. Auf eine Anfrage zu seiner weiteren Mitgliedschaft in der AfD-Stadtratsfraktion kam zunächst keine Antwort.

Hohe Hürden für Entzug der Zulassung

Und fraglich bleibt auch, ob die aktuellen Vorwürfe gegen Ulbrich einen Entzug seiner Zulassung als Anwalt rechtfertigen könnten. Auf Nachfrage von MDR AKTUELL hieß es vom Deutschen Anwaltverein (DAV), dass dies an sich nur möglich wäre, wenn ein Anwalt wegen einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr zeitweise kein öffentliches Amt mehr bekleiden dürfte.

Gleichwohl hieß es vom DAV auch, dass verfassungsfeindliche Äußerungen „gegen das Selbstverständnis der Anwaltschaft“ verstoßen, gegen ihre Werte und auch gegen Erwartungen der Öffentlichkeit: „Der Deutsche Anwaltverein und seine Mitgliedsvereine bekennen sich in Satzung und Leitbild klar zum freiheitlichen Rechtsstaat, zu Vielfalt und Menschenrechten.“

 

Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/politik/afd-ulbrich-nazi-gesetz-rechtsanwalt-100.html